Ein Tag früher los – warum eigentlich nicht?
Eigentlich war der Plan: morgen starten. Aber irgendwann zwischen Kaffee, Camper und dem leisen Drang, einfach loszufahren, fiel die Entscheidung: Heute.
Ohne Plan, ohne festes Ziel – aber mit allem, was wir brauchen.
Der Weg ist das Ziel. Und der Appetit kommt mit dem Fahren. Auf nach Polen.
Cottbus – Rehüberquerung mit Stil.
Kurz hinter Cottbus dann fast das abrupte Ende der Reise, bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte: Zwei Rehe auf der Autobahn. Ich bremse vorausschauend – alles ruhig, alles kontrolliert. Aber eines der Rehe läuft erst rüber, dann wieder zurück. Ob’s nach dem Weg fragen wollte? Wir wissen es nicht. Vielleicht wollte es uns einfach sagen: Willkommen in Polen.
Sagan – Natur, Kiesgrube und Villenblick.
Unser erstes Ziel: Sagan. Laut Park4Night haben hier in der Nebensaison schon Camper direkt am Wasser übernachtet. Wir landen nördlich der Stadt – dort, wo Angler den Nachmittag verbringen und Libellen ihre Runden drehen. Ein paar Meter weiter glitzert das Wasser hinter den Schilfbüschen.

Ob das hier Standard ist? Keine Ahnung. Aber diese Mischung aus Natur, Industrie (Kieswäsche?), Anglern und Architektur hatte ihren ganz eigenen Charme. Doch wer Sagan sagt, stolpert unweigerlich auch über Geschichte – und die liegt nur wenige Kilometer weiter südlich, im Kiefernwald bei Żagań.

👉 Hinweis am Wegesrand
Żagań (Sagan) – Tunnelplan unter Kiefern
Żagań klingt nach Durchfahrtsort: Kiefernduft, Landstraße, schnell weiter. Und dann stehst du plötzlich an einem Ort, an dem „Freiheit“ einmal ganz anders buchstabiert wurde. Im Kiefernwald südlich der Stadt lag das Kriegsgefangenenlager Stalag Luft III – Schauplatz der „Großen Flucht“ von März 1944.
Drei Tunnel, getauft auf „Tom“, „Dick“ und „Harry“. Der berühmte „Harry“ begann in Baracke 104 – zehn Meter tief, gestützt mit Latten aus Bettgestellen, belüftet mit zusammengelöteten KLIM-Milchdosen. Ingenieurskunst aus Verzweiflung. 76 Männer schafften es hinaus, nur drei erreichten schließlich die Freiheit.
Hollywood erzählte später diese Geschichte neu – unter dem Titel „The Great Escape“, in Deutschland bekannt als „Gesprengte Ketten“. Steve McQueen jagt darin auf dem Motorrad über Zäune, Richard Attenborough plant die Flucht – eine stilisierte, aber eindrucksvolle Version jener wahren Ereignisse. Der Film wurde nicht hier, sondern in Bayern gedreht, doch die reale Bühne lag genau unter diesen Kiefern.
Was man heute sieht? Kein Pathos, kein Rummel. Rekonstruktion der Baracke 104, eine Wachturm-Nachbildung, eine Tunnel-Modellstrecke (oberflächennah, damit man’s gefahrlos versteht), dazu Filme, Exponate und ein Gelände, das leise bleibt, selbst wenn Besucher reden.
Museum: Muzeum Obozów Jenieckich – Stalag Luft III
Adresse: ul. Lotników Alianckich 45, 68-100 Żagań, Polen
Öffnungszeiten (Sommer): Di–Fr 10:00–16:00, Sa/So 10:00–17:00, Mo geschlossen.
Öffnungszeiten (Winter): 1. Nov – 1. März, Di–Fr 10:00–16:00, Sa/So 10:00–16:00, Mo geschlossen.
Ticketpreise: Normal 20 zł normal, Ermäßigt 10 zł ermäßigt; Führungen (Englisch) ca. 150 zł/Stunde; Reservierung notwendig.
Webseite Museum – Stabag Luft III, Die Webseite ist auf polnisch, lässt sich dennoch mit dem Übersetzer des Browser gut lesen
Koordinaten: 51.596726, 15.292149
Wir selbst waren nördlich von Sagan unterwegs, irgendwo zwischen Teichen, Villenblick und Kiesgrube. In der Gegenwart – zwischen Anglern, Libellen und einem Himmel, der sich im Wasser spiegelte. Aber der Gedanke an diese Tunnel unter den Kiefern blieb. Vielleicht, weil man auf Reisen manchmal nicht nur Orte besucht, sondern Geschichten, die unter der Oberfläche weiterschwingen.
Der Weg dahin? Anspruchsvoll romantisch.
Erst eine Straße, dann ein Waldweg, dann nur noch… ein Weg. Mal gut befahrbar, mal ausgewaschen, mit Schlaglöchern, die man lieber umkurvt als durchfährt. Für Offroad-Fahrer sicher ein Abenteuer. Für uns: eine langsame, konzentrierte Übung in Geduld – aber machbar.

Krakauer, Oliven und unser Sturmkocher.
Am Wasser fanden wir ein ruhiges Plätzchen, packten den Tisch aus, stellten den Sturmkocher drauf – unser treuer Begleiter. Läuft ohne Gas, ohne Strom, nur mit Spiritus. Leicht, kompakt, zuverlässig.Darauf landeten Krakauer – und nein, das ist keine Wurst von der Stange. Kräftig, saftig, rauchig, ein bisschen scharf – mit Charakter. Eine, die auch dann schmeckt, wenn der Himmel wolkenverhangen ist. Dazu ein paar Oliven. Mehr brauchten wir nicht.

Erntezeit & Weitblick.
Zwischen Sagan und Katowice erstrecken sich Felder, so weit das Auge reicht. Überall Mähdrescher, Korn, Silos – fast wie eine Choreografie. Und über allem: ein runder, goldener Mond, der uns lange begleitete.

Planänderung mit dem Camper: KZ Auschwitz-Birkenau.
Unterwegs der erste konkrete Plan: Mit unserem Camper fahren wir morgen zum KZ Auschwitz Birkenau (Hier geht es zu unserem Reisebericht). Kein leichtes Ziel. Aber ein wichtiges. Ich war noch nie dort. Pius auch nicht. Und wenn man schon in der Nähe ist, fährt man nicht einfach weiter.
Die Goldene Möwe hat geöffnet.
Spätabends, 21:30 Uhr – Hunger. Und wie durch ein Wunder: McDonald’s! In Polen offenbar ein Treffpunkt – die Bude war voll. Speisekarte? Überraschend. Chicken-Sticks mit KFC-Vibes, Burger, die man in Deutschland vermisst. Lecker. Fast Food, ja – aber genau das, was wir in dem Moment brauchten.

Nachtquartier vor dem GYM. Mit dabei: Brunhilde (Seite 32), das Huhn ohne Namen, das noch an seiner Identitätsfindung arbeitet – und Luis, der heute zum ersten Mal Camper gefahren ist. Direkt auf polnischen Straßen. Tapfer, neugierig, gut gemacht. Willkommen im Team, Luis!
Bis morgen – irgendwo hinterm Horizont rechts.
Am nächsten Tag stand für uns einer der schwersten und zugleich wichtigsten Programmpunkte an: der Besuch der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau. Unsere Eindrücke und Erfahrungen haben wir hier festgehalten: → Besuch im KZ Auschwitz-Birkenau – ein Tag der bleibt.



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