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Schlösser und Burgen in Thüringen

Schloss Fröhliche Wiederkunft und Leuchtenburg

Ein früher Start in den Tag

Der Morgen begann früh – sehr früh. Um genau zu sein: 6:30 Uhr. Noch eingekuschelt im Camper, irgendwo im sächsischen Waldheim, wo die Zschopau leise vor sich hinplätschert und selbst die Vögel noch gähnen, kroch das erste Licht durch unsere Fenster. Draußen: Dunst über dem Fluss. Drinnen: Zwei Morgenmuffel im Halbschlafmodus.

Während wir uns nacheinander dem traditionellen Badezimmer-Ballett hingaben (eng, aber synchronisiert), war Pius schon erstaunlich wach. Jacke an, Stofftasche geschnappt – und weg war er. Drei Minuten später sollte er mit frischen Brötchen zurückkehren. Sollte. In Wirklichkeit dauerte es sieben. Wegen Entscheidungsnöten an der Bäckertheke („Baguette oder Croissant? Und was, wenn ich das Falsche nehme?!“).

Ich bereitete derweil das Frühstück vor: Kaffee dampfte, Tee zog, Marmelade war geöffnet, der Käse duftete – und das Beste: alles ohne diesen nervigen Piepton vom Kühlschrank, der warnt, wenn die Tür zu lange offen steht. Als Pius endlich zurückkam, war der Tisch gedeckt: Käse, Wurst, frischer Salat, dazu frisches Gebäck vom Bäcker. Waldheim, morgens um halb acht.

Frühstück im Camper mit frischen Zutaten in Waldheim, Sachsen – Käse, Wurst, Baguette, Croissant, Kaffee
Ein Frühstück im Camper in Waldheim direkt an der Zschopau. Ein gedeckter Tisch mit Käse, Wurst, Salat, Kaffee, Baguette und Croissants.

Kurz darauf machten wir den Camper startklar. Ein kleiner, gut einstudierter Tanz aus zusammenräumen, verriegeln, sichern – jeder Griff saß, fast wie bei einer Bühnenprobe. Pius stopfte die letzten Croissants in sich hinein, ich warf noch einen Kontrollblick auf die Außenspiegel – und dann ging’s los: Ziel Leuchtenburg! Mit geplantem Zwischenstopp in Trockenborn-Wolfersdorf. (Schon der Ortsname allein klingt nach einer Folge von Löwenzahn.)

Rund 140 Kilometer lagen vor uns – Tempomat rein, Podcasts an, Gedanken schon bei alten Burggemauern und vielleicht Thüringer Klössen. Doch vorher noch ein kurzer Stopp am Autohof – Kaffee für den Fahrer, Donut für zwei Seelen. Zwei Stunden später rollten wir entspannt und voller Vorfreude in Trockenborn-Wolfersdorf ein. Und ja, der Ort ist genau so idyllisch, wie er klingt.

Frontale Ansicht von Schloss Fröhliche Wiederkunft mit Türmen und neugotischen Fenstern.
Aus der Luft wirkt das Schloss wie eine Insel mitten im Thüringer Hügelland – ein Idyll mit Geschichte.

Schloss Fröhliche Wiederkunft – wo Geschichte Haltung zeigt

Mitten im kleinen Trockenborn-Wolfersdorf erhebt sich ein Schloss, das aussieht, als hätte es ein Historienfilmer extra für einen Netflix-Dreiteiler entwerfen lassen: Zwiebelhauben, freitragende Wendeltreppen, Wassergraben, Symmetrie, Drama – alles da. Und der Name? Klingt wie ein poetisches Versprechen: Fröhliche Wiederkunft.

Hinter dem Namen steckt mehr als höfische Lyrik. Hier schrieb sich ein Stück deutscher Geschichte fast wie ein Theaterstück mit Happy End. Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige (schon der Name verdient Applaus) hatte das Schloss ursprünglich als Jagdrefugium geplant – zum gepflegten Ausklingen nach erfolgreicher Wildschweinjagd. Doch das Schicksal hatte andere Pläne.

Als Anführer im Schmalkaldischen Bund stellte sich Johann Friedrich dem katholischen Kaiser Karl V. entgegen, verlor die Schlacht bei Mühlberg, wurde gefangen genommen – und verschwand für fünf Jahre in kaiserlichem Gewahrsam. Was man heute diplomatisch als „Zwangsurlaub in Obhut des politischen Gegners“ bezeichnen würde.

1552 kam er endlich wieder frei – und was macht ein standhafter Protestant nach fünf Jahren Knast? Genau: Er baut ein Schloss. Kein prunkvolles Machtsymbol, sondern ein Ort der inneren Haltung. Ein Bauwerk als Trotzreaktion auf die Geschichte, als Zeichen der Hoffnung, als ganz persönliche Wiederauferstehung. Und so nannte er es kurzerhand: Zur Fröhlichen Wiederkunft. Mehr Trotzpoesie geht nicht.

Luftbild vom Schloss Fröhliche Wiederkunft in Trockenborn-Wolfersdorf mit Teich, Feldern und Dorf.
Aus der Luft wirkt das Schloss wie eine Insel im Thüringer Hügelland, ein Idyll mit Geschichte.

Heute steht das Renaissanceschloss so fotogen da, dass man sich fast wundert, warum hier noch kein ARD-Zweiteiler mit dramatischer Musik gedreht wurde. (Wahrscheinlich, weil das Budget lieber in bayerische Fachwerkidylle fließt.)

Im Laufe der Zeit hat das Schloss einiges mitgemacht: Es wurde erweitert, vernachlässigt, verstaatlicht und als Jugendwerkhof der DDR genutzt – eine ganz andere Art von Internat, in dem der Ton deutlich rauer war. Nach der Wende dann: Leerstand. Fast schon wieder ein Kapitel fürs Geschichtsbuch.

Bis sich 2007 ein Thüringer mit einer guten Portion Idealismus und vermutlich auch einem soliden Werkzeugkasten dem Schloss annahm – seitdem wird es Schritt für Schritt restauriert. Heute gibt’s hier am Wochenende ein kleines Café, ein Museum und wahrscheinlich auch ziemlich guten Kuchen.

Aber wir waren – Trommelwirbel – an einem Montag da. Bedeutet: Tore zu, Café geschlossen, keine Innenansichten. Zum Glück waren wir eh noch satt vom vorherigen Kuchenstopp, sonst wäre es tragischer gewesen.

So blieb uns: der Spaziergang ums Schloss, ein paar schöne Fotos – und die Gewissheit, dass dieser Ort zwar still war, aber alles andere als stumm. Geschichte kann manchmal sehr lebendig sein – auch ohne Führung und Filterkaffee.

Logo hinterm den Horizont rechts

👉 Hinweis am Wegesrand

Schloss Fröhliche Wiederkunft – Infos & Tipps

Koordinaten: 50.78784, 11.71032 – ideal für einen kurzen Zwischenstopp auf dem Weg zur Leuchtenburg

Link zur offiziellen Webseite Schloss Fröhliche Wiederkunft

Unser Tipp: Informiert euch vorab über Öffnungszeiten und Führungen – und nehmt euch Zeit für einen kurzen Spaziergang und das Schloss, dauert ca. 15 Minuten.

Auf zur Leuchtenburg – ein historisches Highlight

Also weiter. Raus aus Trockenborn-Wolfersdorf, hinein ins grüne Herz Thüringens: sanfte Hügel, Felder mit Wellenstruktur, ein paar verschlafene Orte, bei denen man sich fragt, ob der letzte Bus hier überhaupt noch hält. Und dann, plötzlich, war sie da: die Leuchtenburg. Hoch oben auf einem schmalen Grat, als hätte sie sich den besten Platz für eine Rundumsicht reserviert – ganz ohne Ticket und ohne Gedrängel.

Schon vor dem Parkplatz zückten wir die Drohne. Das Licht? Goldrichtig. Die Konturen der Burg zeichneten sich im Gegenlicht ab wie eine Szene aus einem Fantasyfilm – nur ohne Drachen, aber mit ziemlich viel Atmosphäre. Einmal kurz Schweigen im Cockpit. Dann: „Wow.“

Leuchtenburg Thüringen im Licht der Abendsonne – Burganlage mit Wehrmauer und Bergplateau.
Majestätisch über dem Saaletal – die Leuchtenburg im warmen Licht der Sonnen

Am Fuße der Burg fanden wir einen Stellplatz für unseren Camper – leicht schräg, ein bisschen abseits, aber mit freiem Blick nach oben. Und nach einem kurzen Blickwechsel war klar: Hier bleiben wir. Kein offizieller Campingplatz, aber dafür mit Naturpanorama, perfekter Lage und dem unschlagbaren Gefühl, am richtigen Ort zur richtigen Zeit angekommen zu sein. Fast wie damals, als Burgen noch Aussichtspunkte und keine Eventlocations waren.

Der Aufstieg zur Burg – mit Geschichte unter den Füßen

Rucksack geschultert, Kamera griffbereit – los ging’s. Der Weg zur Burg ist derzeit im Wandel: Ein barrierefreier Aufzug, der künftig weitgehend unterirdisch verlaufen soll, ist im Bau. Fertigstellung: Ende 2025. Bis dahin bleibt der klassische Aufstieg – wahlweise sportlich über die Steintreppen oder entspannt auf dem Wanderweg, der sich in sanften Kurven den Hang hinaufzieht.

Pius wählte natürlich Variante A – und zwar im Sprint. Vermutlich in der Hoffnung, dass es oben Gratis-WLAN gibt. Ich nahm die Panoramaroute: langsam, mit gelegentlichen Fotostopps – offiziell wegen der Aussicht, inoffiziell wegen des Kreislaufs.

Ausblick von historischem Burgmauer-Vorsprung der
Von alten Mauern und weiter Sicht von der Leuchtenburg – Blick ins Saaletal, ein Panorama das Geschichten erzählt.

Oben angekommen, wartete die erste kleine Prüfung: der Eintritt. Für mich als voll zahlungsfähiger Erwachsener standen 16,90 € auf der Tafel, für den jugendlichen Knappen 9,00 €. Macht zusammen 25,90 € für zwei Nasen – oder, in Burgwährung gesprochen: ein Taler, ein Esel und ein höfisches Nicken vom Torwächter.

Dafür durften wir durch die alten Gemäuer streifen, Panorama genießen, Porzellanwünsche auf die Reise schicken und mittelalterliche Luft atmen – frisch, klar und überraschend wenig nach Ritterrüstung duftend. Die Leuchtenburg wurde übrigens 1212 erstmals urkundlich erwähnt – und als wir durch das massive Holztor traten, fühlte es sich fast so an, als hätten wir genau dorthin einen Schritt gemacht: zurück in eine andere Zeit.

Roulade, Klöße, Burgschänke

Schon beim Aufstieg hatte ich kurz an die Thüringer Klöße gedacht – jetzt wurden aus Gedanken handfeste Gelüste. Langsam, aber sicher machte sich Hunger breit. Und als uns beim ersten Windstoß der Duft aus der offenen Küchentür der Burgschänke entgegenschlug, war klar: Hier wird nicht einfach nur gekocht – hier wird mit Liebe gegart, gebraten und geschmort.

Drinnen empfing uns warmes Licht und eine mittelterliche Atmosphäre wie aus einem Bilderbuch-Wirtshaus wie vor 400 Jahren . Ein Ort zum Sitzenbleiben. Zum Durchatmen. Zum Bestellen.

Unsere Wahl fiel leicht: zarte Rinderroulade mit samtigem Rotkohl und zwei goldgelben Thüringer Klößen – rund, prall, genau auf den Punkt. Auf Nachfrage gab’s sogar eine Extraportion Soße – ohne Murren, mit einem Lächeln. Teller leer, Klöße verputzt, Soße weg, Fleisch verzehrt: Mission erfüllt. Kein Fine Dining, sondern ehrliches Essen mit Seele. Wenn es einen Michelin-Stern für Sattsein gäbe – die Schänke hätte Chancen.

Collage aus Speisekarte, Thüringer Klößen, Rinderroulade mit Rotkraut und Blick auf die Burgschänke
Herzhafter Genuss mit historischem Flair – Collage Speisekarte, Rinderroulade, Thüringer Klöße mit Rotkraut in der Burgschänke der Leuchtenburg

Die Burgschänke selbst wirbt mit „urig speisen in mittelalterlichem Ambiente“ – und das ist nicht zu viel versprochen. Neben dem täglichen Mittagstisch stehen auch Ritteressen, Burg-Brunch oder sogar ein Kloßseminar auf dem Programm. Letzteres haben wir uns für später aufgehoben – man muss sich ja Ziele setzen.

Kleiner Hinweis: Wer nur zum Essen auf die Burg möchte, sollte wissen – der Weg führt durchs Burgtor und kostet Eintritt. Das sorgt online gelegentlich für Diskussionen. Aber ehrlich gesagt: Wer schon mal da oben steht, bekommt mit dem Mittagessen auch ein Stück Geschichte serviert. Und das ist im Preis definitiv inbegriffen.

Geschichte zum Anfassen – und zum Gruseln

Gestärkt zogen wir weiter – hinein in die Mauern der Leuchtenburg. Von außen trutzig, von innen überraschend lebendig. Kaum ein Ort, der so viele Rollen gespielt hat: Verwaltungssitz, Gefängnis, Jugendherberge, Hotel – ein echtes Multitalent mit Vergangenheit. Das Museum bringt es nüchtern auf den Punkt: Verwalten. Wegsperren. Erholen. Ein Satz wie ein Behördenformular – nur mit Aussicht.

Und doch: Zwischen den Vitrinen und Ausstellungsstücken wartete etwas, das weit über das bloße Anfassen von Geschichte hinausging. Im alten Turm, der einst als Verhörkammer und Folterort diente, beginnt eine Klanginstallation. Leise. Drängend. Und dann:
„Ergreift sie und bringt sie auf die Leuchtenburg!“

Wir standen mitten im Verlies, als sich die Geschichte von Anna Maria Neidold entfaltete. Eine junge Frau, der 1664 vorgeworfen wurde, ihr uneheliches Kind getötet zu haben. Keine Beweise. Kein faires Verfahren. Nur Misstrauen, Gerede – und ein Urteil, das längst feststand.

Stimme um Stimme, eindringlich inszeniert, füllte den Raum: Anna Marias zögernde Antworten. Der kalte Befehlston des Amtmanns. Ihre Verzweiflung. Ihr Flehen. Ihr Schweigen. Und plötzlich war es nicht mehr nur eine Audioinstallation. Es war eine Geschichte, die unter die Haut ging. (Und das lag nicht nur an den dicken Burgmauern.)

In der Kälte des Turms wurde klar: Das hier ist kein Märchen aus ferner Zeit. Es ist ein Schicksal, das genau hier passiert ist. Zwischen diesen Wänden. Keine erfundene Figur, sondern eine Frau mit Namen – und mit einem Echo, das bis heute nachhallt.

Wer glaubt, Burgen seien bloß romantische Kulissen für Hochzeitsfotos und Ritterspiele, wird auf der Leuchtenburg eines Besseren belehrt. Hier erzählt jeder Stein – und manche Geschichten flüstern noch. Leise. Hartnäckig. Und ziemlich eindrucksvoll.

Marterturm, Erinnerungsfotos und echte Schicksale

Natürlich darf bei all der Geschichte auch ein wenig (makabrer) Spaß nicht fehlen. In einer kleinen Ecke beim Marterturm lud ein Foto-Setup zum augenzwinkernden Rollenspiel ein: Pius ließ sich fürs „Verhör“ anketten – mit verzerrtem Gesicht und maximaler Dramatik. Ich stand derweil am sogenannten Krötenstein – offiziell wegen Ehebruchs angeklagt. Die Beweislage war dünn, aber mein Blick verriet: schuldig im Sinne der Mittelaltersatire.

Mario mit verzogenem Gesicht steckt im mittelalterlichen Pranger mit Krötenstein zur Strafe wegen Ehebruchs
Die mittelalterliche Strafe für untreue Männer: der Krötenstein. Und ja, er ist so unbequem, wie er aussieht. Heute gibt’s nur ironische Blicke und Kameralinsen.

Ein ironischer Blick zurück auf düstere Zeiten – der zum Glück mit einem Klick im Kasten war und nicht mit einer Haftstrafe endete.

Jugendlicher sitzt mit mittelalterlichen mit Fußfesseln au einer Bank
Wer sich auf der Leuchtenburg fesseln lässt, tut das freiwillig – und meistens mit einem Grinsen. Für Pius darf ein Spassfoto nicht fehlen.

Doch nur ein paar Schritte weiter wurde der Spaß plötzlich sehr still: Denn es gab sie eben auch – die echten Geschichten. Wie die von Wolf Stahl, verhaftet 1540 als sogenannter Wiedertäufer. Eine Bewegung, die die Kindstaufe ablehnte – und damit Kirche wie Obrigkeit gegen sich hatte.

Stahl wurde persönlich von Martin Luther verhört – vermutlich kein Smalltalk –, ehe er auf der Leuchtenburg landete. Und dort saß. Und saß. Und saß. Länger als jeder andere Gefangene. Kein Schnappschuss, kein Schauspiel – sondern ein echtes Schicksal, eingeschlossen in kaltem Stein.

Aussicht & Steg der Wünsche

Vom düsteren Verlies ging es weiter – ganz buchstäblich bergauf. Der Bergfried wartete, und mit ihm 153 Stufen, verteilt auf gut begehbare Treppen und jahrhundertealte Mauern. Oben angekommen, belohnte uns ein stilles Panorama: Das Saaletal breitete sich aus wie ein altes Ölgemälde – in Grautönen, denn der Nebel hielt sich hartnäckig. Aber in der Ferne: Jena! Und direkt darunter, kaum sichtbar und dennoch irgendwie rührend…

Unser Camper.

Und dann, zwischen zwei Zinnen, entdeckten wir ihn: ganz klein, fast verloren in der Landschaft – unser Camper. Wie ein silberner Punkt klebte er da unten am Hang. Unser rollendes Bett. Unser Zuhause auf Rädern. Gegen diesen steinernen Koloss wirkte er ein bisschen wie ein Dackel neben einem Drachen. Aber hey – David war auch kleiner als Goliath. Und hatte Snacks an Bord.

Auf dem Bergfried, Aussicht durch Zinnen ins Tal auf unseren Schlafplatz (Camper)
Durch eine enge Lücke in der Burgmauer sieht man unseren Camper im Tal – wie ein geduldiger Knappe, der auf seinen Ritter wartet.

Nur ein paar Schritte weiter dann mein persönliches Highlight: der Steg der Wünsche.

Eine schmale Glasplattform, die so kühn über die Felskante hinausragt, als hätte jemand vergessen, ein Ende dran zu bauen. Unter einem: Tiefe. Um einen: Luft. Hinter einem: der Gedanke, dass Schwindelfreiheit keine Option, sondern Pflicht ist.

Und am Ende? Ein Ritual, das so schlicht wie schön ist: Man schreibt einen Wunsch auf eine kleine Porzellanscherbe, holt kurz Luft – und wirft sie in die Tiefe. Zerschellen ausdrücklich erwünscht. Der Klang: hell und befreiend.

Ein Moment, der mehr loslässt als nur zerbrechliches Porzellan. Ein bisschen wie Meditation mit Geräuscheffekt. Oder Frühjahrsputz mit Aussicht.

Ach ja – die Stufen! Wir wollten es genau wissen. Schließlich sind wir nicht nur neugierig, sondern auch gewissenhafte Bildungsreisende mit Hang zur Präzision und einem Faible für Trivia.

Also: Abwärts mit System. Pius zählt laut. Ich zähle leise. Unten angekommen, der Showdown.

„154!“, sage ich.

„152!“, sagt er.

Hm.

Diskussion folgt. Wer hat sich verzählt? Wer hat doppelt gezählt? Oder war irgendwo eine Stufe besonders schmal? Am Ende bleibt nur eins sicher: Laut offizieller Angabe sind es 153.

Also hatten wir beide… nicht ganz recht. Aber vielleicht ist das ja die Lehre des Tages: Wahrheit ist relativ, Stufen manchmal auch – Hauptsache, man kommt unten heil an. Und hat unterwegs was zum Lachen gehabt.

Porzellanwelten – Alchemie, Anekdoten und das weiße Gold

Kaum hatten wir den Burghof durchquert, öffnete sich ein neues Kapitel – und was für eins! Die Ausstellung „Porzellanwelten“ ist kein trockenes Museum mit Vitrinencharme, sondern ein Erlebnis für alle Sinne. Geheimnisvoll, fast wie ein alchemistisches Labor. Schon beim Eintritt umfängt einen Halbdunkel, sanftes Licht, ein leises Knistern – als würde die Entdeckungslust persönlich durch die Räume schleichen.

Animierte Gemäldewand mit rotem Vorhang in der Porzellanausstellung auf der Leuchtenburg
Die Leuchtenburg zeigt Animierte Gemälde und barocke Szenerie in der Ausstellung „Porzellanwelten“.

In Glasgefäßen aufgereiht: Quarz, Kaolin, Feldspat. Drei unscheinbare Substanzen – und doch das Rezept für einen Mythos. Auf den Regalen: Pulver, Körnchen, seltsame Stoffe. Was aussieht wie die Speisekammer eines Hexenmeisters, entpuppt sich als Zutatenliste für einen Stoff, den Europa einst vergötterte – das weiße Gold: Porzellan.

Die Ausstellung erzählt seine Geburt als Mischung aus Wissenschaftskrimi und Fantasy-Epos. Im Zentrum: vier Männer, vier Schicksale. Johann Friedrich Böttger, ein Möchtegern-Alchemist, der ursprünglich für August den Starken Gold herbeizaubern sollte – und dabei aus Versehen Porzellan erfand. Ehrenrettung geglückt. Ihm zur Seite: Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, ein echter Forscher, der im Labor die entscheidenden Vorarbeiten leistete. Und dann noch zwei oft Vergessene: Pabst von Ohain, der Strippenzieher im Hintergrund, und Christoph Hunger, der Mann fürs Praktische. Gemeinsam knackten sie das Geheimnis, das China über Jahrhunderte so eifersüchtig gehütet hatte.

„Die Erfinder“ mit dramatisch inszenierten Porträts von Böttger, von Tschirnhaus und Co.
Die Inszenierung „Die Erfinder – The Inventors“ erinnert an ein Filmplakat.Wer waren die Männer hinter dem weißen Gold?

Die Präsentation ist modern, multimedial, und doch durchzieht sie ein Hauch Magie. Schattenhafte Projektionen huschen über Wände, Stimmen aus der Tiefe erzählen von Intrigen, Rezepten, Fluchtplänen und königlichem Druck. Es fühlt sich ein bisschen an, als sei man selbst Teil eines streng geheimen Experiments – mit ungewissem Ausgang.

Das Ergebnis? Strahlend weiß, hart, edel: Porzellan. Und wie wandelbar es ist! Von der barocken Prachtvase über DDR-Mitropa-Geschirr bis zum stylischen Designerstück des 21. Jahrhunderts – alles da. Man staunt, schmunzelt, lernt. Und fragt sich unweigerlich, wie viele Teller dabei wohl zu Bruch gingen, bis endlich das erste Service „königstauglich“ war.

Balustervase mit Chinoiserie-Motiv aus Erfurt, 1730–1750
Frühes Thüringer Porzellan zwischen Orientsehnsucht und höfischer Repräsentation. Diese Balustervase ist beeindruckendes Beispiel für das europäische Faible für Chinoiserien.

Fazit: Die „Porzellanwelten“ verwandeln Wissenschaft in Legende – und Ton in ein Märchen mit Glanz und Scherben.

Abendessen mit Aussicht – und ein Hauch Fernost

Nach fast vier Stunden Burgabenteuer waren wir erschöpft, aber glücklich. Pius hatte einen ganz konkreten Wunsch: Instantnudeln – chinesisch, versteht sich. Also kurzer Abstecher nach Kahla, Vorräte auffüllen, zurück mit dem Camper zum Nachtlager.

Und dort, am Fuße der Leuchtenburg, war dann alles perfekt: Die Burg thronte im Dunkeln über uns, geheimnisvoll angestrahlt, während der Wasserkessel zischte und die Nudeln vor sich hin dampften – serviert in Plastikschüsseln statt Porzellan, aber mit nicht weniger Stilgefühl.

Es war ruhig. Still. Ein bisschen wie im Zen-Kloster – nur mit VW-Logo. Und einer Extraportion Glutamat.

Campervan auf dem Parkplatz im Abendlicht unterhalb der angeleuchteten Leuchtenburg.
Wir residieren mit dem Grand California unterhalb der Leuchtenburg – das Licht geht, die Nacht kommt.

Fazit: Geschichten, Aussichten – und eine dampfende Nudelsuppe

Unser Tag in Thüringen war ein kleines großes Reiseglück: vom Schloss „Fröhliche Wiederkunft“ über die Leuchtenburg mit ihren geheimnisvollen Türmen, klingenden Porzellanwelten und windigen Bergfried-Stufen – bis hin zum nächtlichen Camper-Dinner unterm Sternenzelt.

Wir haben Geschichte erlebt, gestaunt, gestritten (über Stufenzahlen), gelernt, gelacht – und gegessen. Nicht von Goldrandtellern, aber mit Aussicht und Herz.

Vielleicht ist das der Zauber solcher Tage: dass sie voller kleiner Momente stecken, die sich später zu großen Erinnerungen verweben. Was bleibt, ist ein Satz, der sich inmitten all der Eindrücke fast leise eingeschlichen hat – und doch nachklingt: Zerbricht, was Hoffnung still geblieben – und macht den Weg nun frei.

Wohin? Das wissen wir noch nicht. Aber das nächste Abenteuer wartet bestimmt schon irgendwo hinterm Horizont rechts.

Logo hinterm den Horizont rechts

👉 Hinweis am Wegesrand

Praktische Infos für deinen Besuch der Leuchtenburg

Link zur offiziellen Webseite der Leuchtenburg

Leuchtenburg Koordinaten: 50.80403, 11.61244

LEUCHTENBURG INKL. ALLER AUSSTELLUNGEN & BISTRO Sommerzeit (April – Oktober) täglich 9 bis 18 Uhr Winterzeit (November – März) täglich 10 bis 17 Uhr (am 24.12. bis 14 Uhr)

hinterm horizont rechts

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